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Nach dem Bau der ersten transkontinentalen Eisenbahnstrecke setzte in der gesamten USA ein gewaltiger Eisenbahnboom ein. Wirtschaftsmagnaten wie Cornelius Vanderbilt, William Jackson Palmer oder auch Edward Henry Harriman versuchten, ihre Konkurrenten um jeden Preis und mit allen legalen und illegalen Mitteln auszustechen. Ihr Traum war die Realisierung einer kontinentalen, alles beherrschenden Eisenbahngesellschaft.
       Cornelius Vanderbilt         William J. Palmer      Edward H. Harriman


Es begann eine hektische Bautätigkeit. In wenigen Jahrzehnten waren die USA
eisenbahntechnisch erschlossen. Im Jahre 1916 erreichte das Netz mit einer Gesamtlänge von  408'000 km seine grösste Ausdehnung (im Vergleich dazu haben die SBB ein Streckennetz von 3'000 km). Bald nach dem Ende des ersten Weltkriegs gerieten viele Bahnen in grosse finanzielle Schwierigkeiten. Mit zu knappem Eigenkapital hatten sie zu viele und auch zu unrentable Linien gebaut. Die
Weltwirtschaftskrise, welche 1929 ausbrach, verschärfte die prekäre finanzielle Lage vieler Eisenbahngesellschaften in den USA noch weiter. Eine grosse Zahl davon musste in jener Zeit Konkurs anmelden.


Erst gegen Mitte der dreissiger Jahre erlebten die amerikanischen Eisenbahnen wieder einen Aufschwung. Das Gütervolumen nahm massiv zu und im Personenverkehr wurden bessere Fernverbindungen geschaffen. Eine neue Technologie, die Dieseltraktion, machte den Dampflokomotiven Konkurrenz. Stromlinienförmige Schnellzüge, die eleganten, schnellen und komfortablen Streamliners, waren die grosse Attraktion auf den Schienen in den USA. Sie verkürzten die Reisezeiten ganz erheblich.
 Streamliner der Chicago, Burlington & Quincy Railroad 1934


Im Frühjahr 1939 stellte die Electro-Motive Division (EMD) von General Motors ihre erste grosse dieselelektrische Lok, die EMD-FT, vor. Obwohl diese mit einer
Leistung von 1'350 PS ( = 995 kW bei 750 U/min) über eine kleinere Zugkraft als die grossen Dampflokomotiven verfügten, waren sie im Betrieb viel praktischer.
Während Dieselloks sofort einsatzbereit waren, mussten die Dampfloks vorher
lange aufgeheizt werden und waren zudem im Unterhalt anspruchsvoller. Von
Anfang an war die EMD-FT für die Mehrfachtraktion konzipiert. Die Lok mit Führerstand war die A-Unit. Daran konnten - je nach Bedarf - weitere führerstandslose B-Units angekuppelt werden. Die im Vergleich zu den grossen Dampflokomotiven geringere Leistung konnte damit ausgeglichen oder sogar übertroffen werden. Die EMD-FT war ein grosser Erfolg. In den Jahren 1939 - 1945 wurden 550 A-Units sowie 540 B-Units an verschiedene Bahngesellschaften ausgeliefert.In der Folge entwickelte
EMD das Modell-FT konsequent weiter. Andere Firmen wie die Baldwin Locomotive Works, die grösste Lokomotivfabrik der Welt, konstruierten nun ebenfalls Dieselloks.
EMD-FT Diesellokomotive 1939 in Denver


Obwohl nun immer häufiger Diesellokomotiven eingesetzt wurden, war das Ende des Dampfzeitalters noch nicht gekommen. Kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs gab die Union Pacific bei der Lokomotivfabrik ALCO eine gewaltige
Dampflokomotive in Auftrag, den Big Boy 4-8-8-4. Er sollte vor allem grosse Güterzüge über die
Rocky Mountains ziehen, kam aber auch vor Personenzügen zum Einsatz. Mit einem Gesamtgewicht von 548 t und einer Länge von 40 m gehört der Big Boy zu den imposantesten und mit einer Leistung von 6200 PS zu den leistungsfähigsten Dampflokomotiven die je gebaut wurden. In den Jahren
1941 - 1944 wurden davon 25 Stück ausgeliefert, welche bis 1959 im Einsatz blieben. Heute sind noch acht dieser Lokomotiven im Originalzustand erhalten und Highlights von verschiedenen Eisenbahnmuseen in den USA.
Big Boy unterwegs in North Dakota


Gegen Ende des 2. Weltkriegs liess die Pennsylvania Railroad eine riesige Stromlinien-Dampflok für den Personenschnellzugsverkehr konstruieren, die T1 Duplex mit der Achsfolge 4-4-4-4. Mit einer Länge von 38 m und einer Leistung von 6080 PS war sie beinahe so gewaltig wie der Big Boy, jedoch viel schneller. Diese Ungetüme erreichten nämlich eine Höchstgeschwindigkeit von 195 km/h und ein unglaubliches Durchschnittstempo von 160 km/h mit einem damals üblichen 16- Wagen-Schnellzug. Gestaltet wurde die Lok vom berühmten Industriedesigner Raymond Loewy. Leider ist keiner der 52 gebauten Loks erhalten geblieben.
T1 Duplex in Chicago